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December 2024

Grundlagen einer adaptiven Leistungstherapie

Journal/Book: Z. Physiother. 23 (1971) 5 323-331. 1971;

Abstract: Forschungsinstitut für Balneologie und Kurortwissenschaft Bad Elster (Direktor: Prof. Dr. med. habil. H. Jordan) Man kann ein wenig überspitzt formulieren daß mit dem 20. Jahrhundert das funktionelle Denken in die Biologie und speziell auch in die Medizin eingezogen und entscheidungsbestimmend geworden ist. Heute bereits sind selbst die ehemals kaum überspringbar scheinenden Grenzen zwischen Struktur und Funktion schon weitgehend gefallen; Strukturen sind gewissermaßen langsame Funktionen (so definierte es v. Bertalanffy); Strukturen werden von der Funktion geprägt und bestimmen zugleich deren Charakter im zielstrebigen Wechselverhalten. Eine ökonomische Funktion setzt eine optimale Struktur voraus oder kann eine solche aufbauen bzw. wiederherstellen helfen. Waren solche Relationen schon länger bekannt (Lorenz Roux zit. nach Baron) und volksmedizinisch auch recht plausibel so hat doch ihre prinzipielle und naturwissenschaftliche Determination erst in den jüngsten Dezennien vollzogen werden können. Funktion bedeutet Energieverbrauch - und folgerichtig ist Funktion prinzipiell dualen Charakters (23) d. h. eine permanente und überdies rhythmische Abfolge von Energieverbrauch und Energierestitution. Gesundheit ist demnach als ungestörte Dualität der Funktionsgestalt des menschlichen Organismus definierbar. Dualität der Funktion setzt aber ein Informationssystem voraus das den störungsfreien und notwendigen Einsatz von Spieler und Gegenspieler in Gang hält; jedes Lebewesen ist wie es Rössler (zit. nach Lorenz) formuliert ein System mit positiver Rückkopplung zwischen Energie- und Informationserwerb . "Information" als Begriff ist von teleonormem Charakter ist ein gezieltes In-Kenntnis-Setzen des Kommunikationspartners vom gegenwärtigen Zustand vom Ist das sich unter Umständen und im Regelfalle vom gemeldeten bekannten und als Ziel gesetzten Soll merklich unterscheidet und daher im Sinne der Rückkopplung Ausgleichsmechanismen in Betrieb setzt. Das Kommunikationsmittel und der Kommunikationsweg können ganz verschieden sein; der neurale Weg ist nur einer von mehreren neben dem enzymatischen oder dem der Transmittersubstanzen. Die Summe aller erforderlichen Feed-back-Mechanismen kann mit dem Begriff "Servosystem" belegt werden. Information ist also die Voraussetzung einer Regelung; sprechen wir modern von einer "Regulationstheorie" der Medizin so ist das praktisch gleichbedeutend mit dem Terminus "Informationstheorie" der Medizin. Auf die Krankheitslehre übertragen bedeutet dies nichts weniger als vor die Aufgabe gestellt zu sein die konkreten Faktoren zu finden die im Sinne von "Daten" solche Informationen zu geben imstande sind den Informationsmodus (Klartext oder Code) das kommunikative System (Nervenleitung biochemische Kinetik) zu suchen und zu kennen und schließlich zu verstehen über welche kooperativen Mechanismen die Rückinformation oder der feed-back erfolgt. Kennt man all dies so kennt man auch die Beziehung zwischen Struktur und Funktion und damit den Weg über Änderung der Struktur zur Optimierung der Funktion oder umgekehrt - und das ist viel wichtiger - über eine Optimierung der Funktion zu einer Optimierung der Struktur zu gelangen. Diese Überlegung ist das Hauptfundament der Physiotherapie. Dualität der Funktion bedeutet also Koexistenz der syn- und antagonistischen Phänomene zur Stabilisierung einer Leistungsganzheit oder mit anderen Worten zur Erhaltung der Struktur. Konstanz der Struktur ist Konstanz der Funktion - und in diesem gleichen Sinne macht "Information" das Wesen dieser Konstanz aus. Information - oder die Rückkopplung - ist das Sicherungselement Störungen die das geregelte System treffen abzufangen und die Homöostase zu garantieren. Hier auf gerichtete Prozesse können wir Anpassung nennen und wir postulieren damit die praktische Zielgleichheit von Information und Anpassung. Die Durchsichtigkeit der Anpassungsphänomene ist dadurch erschwert daß der menschliche Organismus ein vielschichtiges System derartig regulierender Funktionen darstellt. Nicht nur sind es "vermaschte Mehrfachregler" wie Bertalanffy sie bezeichnet; vielfach ist das zugrunde liegende Funktionsprinzip noch gar nicht oder nicht mehr als echtes Regelsystem analysierbar. So kann man z. B. wohl von einer Regelung der Körpertemperatur sprechen; dagegen muß die funktionelle Ordnung des gesamten Wärmehaushaltes als ein Prozeß höherer kybernetischer Ordnung verstanden werden wenn man der Komplexität der damit verbundenen Vorgänge gerecht werden will. Ein solches System kann gewissermaßen schon als multifaktoriell ja für den Organismus geradezu als "interdisziplinär" bezeichnet werden. Es wird nicht durch die Einhaltung von "Sollwerten" sondern durch das Erreichen von "Zielwerten" im Sinne der homöostatischen Ökonomie charakterisiert. Das physiologische Substrat der Anpassung ist das Adaptat (1) die Adaptatbildung Ausdruck eines Anpassungsprozesses. Anpassung ist primär nicht nur etwas Positives; es gibt auch bestimmte für den Organismus ungünstige Adaptationen (29). Als Beispiel dafür möchte ich die Steigerung der Reduplikationsrate der Aortenwandzellen heranziehen die schon 1 Stunde nach experimentell erzeugtem Hochdruck einsetzt und zunächst wohl eine funktionelle Anpassung der Palisaden-Zellstruktur an den neuen Funktionsgrad bedeutet später aber zur Frühsklerose führt und damit zu einem vitalen Risikofaktor wird (52). Das Beispiel ist deshalb so bedeutsam weil es uns zeigt daß das Adaptat in der Zeitgestalt einer Krankheit einmal als Ausdruck der momentan besseren Überlebenschance aber zugleich auch als Ursache für spätere pathologische Zustände betrachtet werden kann. Und nichts unterstreicht besser als dieser Tatbestand die Wichtigkeit die Krankheitsprozesse nicht nur als pathische sondern auch als zeitliche Ganzheit zu begreifen. Das Grundkonzept der Physiotherapie orientiert sich an dieser Einsicht sehr bewußt. Die Definitionen des Begriffes Adaptation" erstrecken sich über ein breites gedankliches Areal. So haben der Biologe der Psychologe der Vererbungsforscher oder der Soziologe jeweils eine durchaus spezielle und unterschiedliche Interpretation dieser Bezeichnung (20 29 50 62). Entscheidend ist ob man diesen Begriff mehr im soziologischen ökologischen oder physiologischen Sinne benutzt. Die Stabilisierung eines neuen regulativen Gleichgewichtes auf einer höheren Stufe ohne Änderung des regulativen Mechanismus selbst kann als ein "Ausweichvorgang mit ökonomischer Tendenz" verstanden werden der sich folgerichtig auch aus strukturanalytischer Sicht vertreten läßt; man spricht hierbei von einem escape Mechanismus. Besonders im endokrinen Funktionsbereich lassen sich sichere Beweise für seine Existenz anführen (47). Man kann prinzipiell positive oder negative Adaptationsprozesse unterscheiden. Die positive Adaptation der Belastungspulsfrequenz beim Training ist wohl das bekannteste und - hinsichtlich der Kreislaufökonomie - einleuchtendste Beispiel für die adaptiv erzielte Regulationsfähigkeit auf höherem Niveau. Dagegen läßt sich z. B. das "Übertraining" als eine tiefgreifende Regulationsstörung betrachten bei der es im Sinne der negativen Adaptation zu einer übermäßigen Steigerung sowohl der Ruhe- als auch der Belastungsfrequenz des Herzens kommt (21). Ähnliches scheint sich beim emotionalen Stress abzuspielen. Wesentlich für den Ablauf des Adaptationsprozesses ist der Zeitfaktor. Es gibt akute Adaptationsvorgänge die sich in Minuten oder Stunden und chronische die sich in Wochen Monaten oder Jahren abspielen. Der Prototyp der chronischen Adaptation ist die genetische Adaptation bzw. im weiteren Sinne die Adaptation des Bios an die Bedingungen des Kosmos Akute Anpassungsvorgänge können initial überschießend und stürmisch verlaufen um dann einem langsameren Anpassungsprozeß Platz zu machen. In einem solchen Sinn könnte man z. B. das dem Ausgangswertgesetz Wilders zugrunde liegende funktionelle Verhalten des menschlichen Organismus als eine echte Adaptation an einen immer wieder gesetzten Reiz mit einer immer geringer werdenden Intensität der Reizbeantwortung verstehen. Die "paradoxe Reaktion" Wilders bzw. die bekannte Krisenreaktion von Selbach oder das "Erschöpfungsstadium" des Selyeschen Adaptationssyndroms (56) ließen sich in einer solchen Betrachtungsweise als akutes adaptives Unvermögen als kritischer Adaptationsverlust ausdeuten. Diese Prozesse würden sinngemäß als besonders foudroyante Formen des "Übertrainings" im übertragenen Sinne gelten können. Die Adaptation d. h. die Ausbildung und das Wirksamwerden der Adaptate verliert sich nach Absetzen der Reizeinwirkung wieder. Wir geraten hier in die Schwierigkeit die wirkliche Adaptation von einer Reihe anderer Vorgänge begrifflich abzugrenzen. Ist Adaptation gleichzusetzen mit "Gewöhnung" mit "Akklimatisation" mit "Erkennen" mit "Konditionieren" mit "Trainieren" mit "Normalisieren"? Im gewöhnlichen Sprachgebrauch verwischen sich diese Terminei wahrlich oft genug neurophysiologisch muß aber eine klare Scheidung der Begriffsinhalte erfolgen und das kann tatsächlich geschehen (19). Gewöhnung ist im neurophysiologischen Sinne die graduelle Verminderung einer Reaktion auf einen fortgesetzten zugehörigen Reiz verursacht durch prä- oder postsynaptische Hemmungen (19 24) während "Adaptation" die Verminderung oder den Verlust einer spezifischen Rezeptoren-Erregbarkeit bei fortgesetztem Reiz bedeutet also viel spezifischer auf ein definiertes Rezeptorensystem orientiert ist. "Gewöhnung" stellt demnach einen quantitativen Antwortverlust bei gleicher qualitativer Antwort dar Adaptation gewissermaßen einen quantitativen und qualitativen Antwortverlust zugleich. Lernen ist der Erwerb neuer oder qualitativer Änderungen vorhandener Antworten auf einen definierbaren Reiz Konditionieren heißt eine bereits bestehende Reaktion durch einen grundsätzlich neuen Reiz hervorzubringen zu verstärken oder zu hemmen. "Trainieren" würde als ein "Spezialfall der physiologischen Adaptation" (20) anzusprechen sein der am ehesten Ähnlichkeit mit der "Gewöhnung " hat aber auch erst nach konditionierenden Prozessen tatsächlich erfolgreich werden kann. Unter "Normalisierung" muß man schließlich etwas verstehen das zunächst neurophysiologisch nicht einwandfrei zu definieren ist. Normalisierung kann etwa bedeuten eine überschießend ablaufende Regulation auf ihre physiologische Spiel breite bzw. auf ein langläufig als durchschnittlich anzusprechendes Güteniveau zu rückzuführen. Ebenso könnte das Verschwinden einer vorhandenen Desadaptation durch entsprechende Adaptatbildung darunter verstanden werden. "Normalisierung" setzt in jedem Falle die Übereinkunft auf bestimmte Normen (Blutdruck Puls Körpergewicht o. ä.) voraus wobei aus dem eben Gesagten bereits deutlich wird daß es sich dabei um "funktionelle" nicht statische Normen handeln muß. Wir haben solche funktionelle bzw. regulative Normen für den Blutdruck und das Körpergewicht erstmals postuliert die deutlich z.B. gegenüber den Bürgerschen Altersnormen oder dem Broca-Index abweichen (33 34 38 60). Beobachtet man eine größere Zahl von Probanden hinsichtlich der Veränderung ihres Blutdruckes zwischen Beginn und Ende einer Kurbehandlung so fällt auf daß Probanden mit niedrigen Ausgangswerten eine Erhöhung jene mit hohen eine Erniedrigung und ein gewisser Teil keine Veränderungen des Blutdruckes zeigen. Dabei ist meist die Erhöhung der niedrigen Ausgangswerte quantitativ ausgeprägter als die Erniedrigung der hohen Anfangswerte (60). Außerdem ist die Streuung der Meßwerte am Kurende geringer als zu Kurbeginn so daß der Vorwurf entkräftet wer den kann daß es sich hierbei um rein mathematische Zufallseffekte handeln könnte (36). Jessel hat unser Vorgehen die dem Kreuzungseffekt ("cross-over-point"-Bestimmung) zugrunde liegenden Regressionen in einen aleatorischen und in einen definierten Anteil zu zerlegen als einen entscheidenden Schritt zur Lösung des Problemstreites in der Frage der Bedeutung des Wilderschen Ausgangswertgesetzes bezeichnet (31). Da wir bei Betrachtung des ganzen Menschen kaum je von einem Erregbarkeitsverlust eines spezifischen Rezeptors im Zuge einer Therapie reden können erscheint die Bezeichnung "Adaptationstherapie" im strengen Sinne nicht brauchbar; es sei denn wir erweitern den Rezeptorbegriff und setzen bestimmte regulative Einheiten etwa den Wärmehaushalt wie oben erwähnt mit einem "Rezeptor" gleich. Der "systemische" interdisziplinäre Charakter dieser Regulationssysteme die hier als Rezeptoren angesprochen werden war schon betont worden und er ist es auch der das Verständnis für die Prozesse der sogenannten gekreuzten Adaptation ermöglicht auf die hiereingegangen werden muß. Je höher die anfängliche Intensität der Stressoren ist und je intensiver der Organismus ihnen ausgesetzt ist um so früher und nachhaltiger ist die Manifestation der Adaptation um so umfassender ist aber auch die Beteiligung des Gesamtorganismus am Anpassungsprozeß. Je enger die adaptiven Reaktionssysteme physiologisch verwandt sind um so eher ist deren koaktives Ansprechen sind entsprechende Kopplungsprozesse zu erwarten. Grundsätzlich können bei adaptiven Leistungen positive oder negative Kreuzungsphänomene beobachtet werden. Wir verstehen darunter positive oder negative Antworten eines Reaktionssystems B auf die erfolgte Adaptation eines Reaktionssystems A (5). Von negativen Kreuzeffekten sprechen wir wenn die Ausbildung eines stressorspezifischen Adaptates die Widerstandskraft des Organismus gegen andere Stressoren einschränkt. Bekannt ist z. B. daß Adaptation an Kälte die Resistenz gegen über einem Sauerstoffmangel herabsetzt. Positiv wäre der gegenteilige Fall also etwa die Erhöhung der Hypoxieresistenz bei Adaptation an Hitze (30) oder die Verminderung der Inaktivierungshypothermie bei Ratten durch körperliches Training (3). Durch solche Befunde wird zwar die Lehre von der Stressorspezifität etwas gelockert (besonders im Falle der positiven cross-Phänomene) jedoch ist hierbei der jeweilige "physiologische Verwandtschaftsgrad" weitgehend mitbestimmend. Das Paradespiel für die stressorunspezifischen Reaktionen ist das Adaptationssyndrom nach Selye. Diese systematische Antwort auf recht verschiedene Stressorqualitäten kann als grundlegende Funktion des Organismus angesprochen werden; sie ist die eigentliche "Grundfunktion" des Organismus auf die ihn treffenden Umweltreize. Die Intensität der Stressoren entscheidet darüber ob und in welcher Güte stressorspezifische Adaptate aus gebildet werden können. Im Zentrum des Geschehens steht dabei die Hypophysen-Nebennierenrindenfunktion. Da sich die Hyperplasie dieser endokrinen Drüsen im Sinne der stressorspezifischen Adaptatbildung wieder verlieren kann ist die entscheidende Frage ob die Ausbildung eines Alarmsyndroms nach Selye auf dem Weg einer stressorunspezifischen Adaptierung verhindert werden kann. Wie Brück in seiner Betrachtung zum Abhärtungsproblem 1964 nachgewiesen hat ist eine solche Möglichkeit mehr als wahrscheinlich nur fehlen bislang definierte systematische Beweisführungen hierzu am Menschen. Ich möchte nun noch auf einige Ergebnisse hinsichtlich der Kälteadaptation ein gehen. Dieses Thema ist akut zumal in jüngster Zeit kälteadaptive Vorgänge auch beim Menschen eindeutig nachgewiesen worden sind (5). Besonders interessieren hier die eventuell beobachtbaren cross-Effekte. Angesichts der nachgewiesenen thermischen Verweichlichung des modernen Menschen und deren mögliche Pathogenität erscheint es interessant hierzu einmal eine Überschau zu vollziehen. Nach Adolph sind bisher etwa 40 unterschiedlich positive oder negative Manifestationen bei Adaptation an Kälte mitgeteilt worden; so u. a. Steigerung der Kälteresistenz Verminderung der Hypoxieresistenz Steigerung des Grundumsatzes des Gewichts von Schilddrüse Herz Nebennieren und des Gesamtkörpers ferner Steigerung der Wärmeproduktion Überwindung von Schlafstörungen und der peripheren Auskühlung (53). Freilich sind alle diese Reaktionen "physiologisch" nahe verwandt; daß sie aber teilweise in der gleichen Größenordnung auch durch Adaptation an größere Höhen also verminderten Sauerstoffpartialdruck auslösbar sind macht den "gekreuzten" Charakter dieser Phänomene schon viel deutlicher (1). Ohne auf die heute stark im wissenschaftlichen Interesse stehende Problematik der Thermoregulation in ihrer Abhängigkeit von Kältebelastung einzugehen läßt sich zusammenfassend dazu folgendes feststellen: 1. Es ist sicher daß es eine Kälteadaptation für den Menschen gibt (17). 2. Die Kälteadaptation kann so weit und vollständig gelingen daß selbst unter extremen Bedingungen z. B. in der Antarktis (7 8 53 65) kaum irgendwelche Besonderheiten an den Versuchspersonen festgestellt werden können. Der Stoffwechsel steigt hierbei kaum (65) oder nur wenig (Tierversuche von Stromme und Hammel) an es besteht nur eine geringe Tendenz zur Senkung der Körpertemperatur und Vasokonstriktion (8 65). Lediglich das subkutane Fettpolster nimmt meßbar zu. 3. Kälteexposition führt zu einem topographisch differenzierten (11 17 22) und auch zeitlich variierten (22) Kältezittern das an sich unökonomisch ist da es die konvektive Wärmeabgabe steigert. Mit zunehmender Adaptation verliert sich dieses Kältezittern ohne daß dabei die Gesamtkörperwärme absinkt (17). Dabei steigt der Gesamtstoffwechsel an (18); man spricht hier von einer "non-shivering-thermogenesis" einer Wärmeproduktion ohne Muskelarbeit die offenbar sowohl hauttemperatur- als auch kerntemperaturabhängig sein kann (10). Da das Kältezittern bei Blockade der (-Rezeptoren auch beim adaptierten Organismus wieder auftritt und die dabei sonst zu beobachtende Steigerung des O2-Verbrauches ausbleibt (54) sieht man hierbei enge Beziehungen zum Noradrenalin das seinerseits wie Kältebelastung auch zum Anstieg der Körpertemperatur führt (49). Auch weisen kälteexponierte Personen eine veränderte Reaktionsbereitschaft gegen Noradrenalin auf (40) und es bestehen Gegensätze zwischen Noradrenalin und Serotonin (49). 4. Der erhöhte Sauerstoffverbrauch in kalter Umgebung ist mehr von der Umgebungstemperatur als von der Körpertemperatur abhängig (41). Vielleicht ist hierin auch eine Erklärung für die öfter zu beobachtende gehäufte Auslösung von Angina-pectoris-Anfällen bei Kälteexposition zu sehen obwohl in diesem Zusammenhang auch die Zunahme des peripheren Strömungswiderstandes mit Erhöhung der Arbeit des linken Herzventrikels und damit Steigerung des myokardialen Sauerstoffbedarfs (12) zu sehen ist oder die bekannten kälteinduzierten Reflexe über den N. Trigeminus bzw. Glossopharyngicus (57) auslösend in Frage kommen. Daß Noradrenalin seinerseits ebenfalls die Sauerstoffverbrauchsrate erhöht und die Tatsache daß Neugeborene weniger gut an Kälte zu adaptieren sind eine erhöhte Noradrenalinempfindlichkeit aufweisen (9 59) und eine größere Fähigkeit haben die non-shivering thermogenesis in Gang zu bringen (5) unterstreicht deutlich die wärmephysiologische Position dieses biogenen Amins. Nach Hannon scheint allerdings das Noradrenalin nicht der einzige Faktor für die kältebedingte Energiesteigerung zu sein. 5. Kälteexposition löst aber auch Vorgänge im menschlichen Organismus aus die man nicht allein seinen Bestrebungen zur Stabilisierung einer Homoiothermie unter ordnen kann wie dies aus Tierversuchen postuliert wurde (9). Bekannt ist z. B. das Phänomen der Dehydratation als Folge einer geringeren Wasseraufnahme mit einer vermehrten Elektrolytausscheidung (15 16). Chronische Kältebelastung steigert die Histaminausscheidung im Urin und führt zur vermehrten Bildung von Mastzellen sowie zu verstärkter Freisetzung von Serotonin wobei weder sichere zeitliche noch quantitative Korrelationen gefunden wurden (43). Ob hierfür eine Aktivierung der Schilddrüse verantwortlich zu machen ist bleibt dahingestellt. Ein Abfall des Leber- und Muskelglykogens und das Ansteigen der unveresterten Fettsäuren im Blut sind beschrieben worden (13). Beide Effekte bleiben nach (-Blockade aus. Schließlich modifizieren mancherlei Umstände z. B. das Fesseln der Versuchstiere oder deren körperliche Aktivität (49 58) die jeweiligen experimentellen Ergebnisse so daß deren Übersicht und Bewertung erschwert wird. Äußere Kälte wirkt offenbar über den kutiviszeralen Reflexweg begünstigend auf den Magentonus ein. Dieser Effekt kann noch gesteigert werden wenn z.B. eine warme Quelle bei kalter Außentemperatur und leichter Bekleidung des Rumpfes getrunken wird (63). Gleichzeitig kommt aber auf demselben Weg eine Steigerung der Magensaftsekretion zustande (42) die wieder in gewisser Beziehung zur kälteinduzierten Histaminausschüttung stehen könnte. 6. Die kältebedingte Stoffwechselsteigerung ist extrazerebral auslösbar wie Hallwachs Thauer und Usinger zeigten. So kann durch Magenkühlung eine Senkung der Kerntemperatur sogar bei erhöhter Hirn- und Hauttemperatur herbei geführt und mit adäquater Stoffwechselsteigerung beantwortet werden (Versuche von Johnson und Spalding). Im Hinblick auf die Physiotherapie insbesondere die Klimatherapie und die Hydrotherapie (aber auch z.B. die Trinkkurbehandlung mit kalten Wässern wie wir sahen) gewinnt die Adaptation an Kältereize eine besondere Bedeutung. Gerade bei Kneipp-Behandlungen lassen sich solche z.T. auch hyperreaktive Adaptationserscheinungen an den Kältereiz z. B. an der Pulskurvenform akraler Pulse (14) ablesen. Die besonders enge Verwandtschaft von kalten Hautreizen und emotionalen Effekten ist worauf Golenhofen jüngst hinwies möglicherweise auch ein wissenschaftlicher Angriffspunkt im Sinne der cross-adaptation-Forschung. Auch die günstige psychotrope Wirkung von Kaltreizen bei psychischen Erkrankungen - geradezu die Physiotherapie der Psychopathie - wird z.B. von Harlfinger hervorgehoben. Vom körperlichen Training sind solche positiv gekreuzten Effekte bereits bekannt geworden (28 51). Günstige psychische Wirkungen bei kälteadaptierten Personen gegenüber nicht akklimatisierten können natürlich sekundären Ursprungs sein etwa im Sinne einer Freude an der gelungenen Anpassung in schwierige Umweltbedingungen. Eine solche Deutung legt der Bericht von einer Antarktisexpedition nahe (65). Experimentelle Unterlagen etwa die Verbesserung psychodynamischer Tests bei Kälteadaptation fehlen bisher; auch lassen "Kältetests" bei psychischer Labilität oder Psychoneurosen keine besondere Reizbereitschaft oder Kälteempfindlichkeit erkennbar werden (46). Mates und Kucera konnten bei 28tägigen Abhärtungsprozeduren Verschlechterungen von renalen Teilfunktionen beobachten; dies sei als Beispiel auch ungünstiger Kälteeffekte hier noch angeführt. Die Abschätzung des jeweils erreichten Adaptationsgrades ist schwierig genug. Adaptation bedeutet wie wir es eingangs nach Golenhofen formulierten das Erreichen einer Stabilisierungsphase auf anderem höherem regulativem Niveau. Bei kollektiver Betrachtungsweise könnte demnach eine Niveauverschiebung kollektiver Mittelwerte und eine Verminderung der kollektiven Streuung auf den gleichen Therapiereiz hin eine solche Adaptation andeuten während eine Zunahme der Streuung d.h. also der Pluß- und Minusvarianten eine jeweils weitere reaktive Ausschwingung von einer mittleren regulativen Ebene hinweg bedeutet. Wir haben mit der Berechnung des kollektiven Mittelwertes der Streuung und der Regression ein einfaches Mittel in der Hand solche Adaptationsprozesse z. B. bei Kurpatienten zu studieren; ich habe schon darauf hingewiesen. Methodisch ist dabei wichtig eine möglichst gleichmäßige Reizserie beizubehalten und am gleichen Kollektiv möglichst täglich Messungen durchzuführen sei es auch an einem zahlenmäßig kleinen Untersuchungsgut. Gerade die Streuungen der täglichen Änderungen von solchen Meßwerten werden wie Wagner herausgearbeitet hat zu einem entscheidenden Prüffaktor für die Regulation bzw. die Adaptation der auch gute Korrelationen zu anderen ähnlichen Nachweismethoden etwa dem Puls-Atem-Quotient nach Hildebrandt aufweist (39). Betrachtet man z. B. nur das Verhalten kollektiver Mittelwerte am Anfang und am Ende der Therapie so darf man aus einer nicht feststellbaren Änderung er selben nicht darauf schließen daß sich am Kollektiv nichts geändert daß also unsere Therapie keinerlei Effekt hervorgerufen habe. Diese Stille in der Mittelwertberechnung ist trügerisch wie die glatte Oberfläche des Teiches die nichts mehr darüber verrät ob nicht vor einiger Zeit doch ein Stein hineingeworfen worden war! Zwischen Beginn und Ende der Therapie liegt jener Vorgang der zur Adaptatbildung führte; ihn zu erfassen ist die Aufgabe einer reaktionsprognostisch orientierten wissenschaftlichen Kurorttherapie. Viel häufiger ist jedoch daß sich auch eine Niveauveränderung der kollektiven Mittelwerte einstellt wobei tiefe Anfangs- mit höheren Endwerten und umgekehrt gekoppelt sind. Dies gilt jedoch nur unter der Bedingung daß nicht anderweitig z. B. pharmakotherapeutisch in jenen Adaptationsprozeß eingegriffen worden ist. Zum Beispiel konnte von uns am Beispiel ergotroper oder histiotroper Pharmaka unter der Kurbehandlung nachgewiesen werden daß unter ihrer Einwirkung eine Verhinderung bzw. Vertiefung der histiotropen Adaptation des Kurverlaufes eintritt (37 48). Wir können zusammenfassend feststellen: Das Grundphänomen "Adaptation" gibt uns die Möglichkeit mittels serienmäßiger Reiztherapie - hauptsächlich durch die Faktoren Kälte körperliche Bewegung (Training) und Klimaeinflüsse aber möglicherweise gilt dies auch z.B. für elektrischen Reize - einen echten regulativen Leistungszuwachs beim Kranken zu erzielen und damit eine stabilisierende ganzheitlich orientierte Therapie zu betreiben. Der Kurort mit seinen therapeutischen Möglichkeiten der "Reizserientherapie am umgetopften Kranken" (36) d. h. einer Therapie in einem neuen physisch und psychisch gleichermaßen Anpassung fordernden Milieu bietet hierzu ideale Möglichkeiten die es mehr als bisher quantitativ und qualitativ wissenschaftlich zu fundamentieren gilt. Literatur 1. Adolph G. F. Amer. .J. Physiol. 184 18 (1956). 2. Baron D. K. Landarzt 43 659 (1967). 3. Bartlett R. G. J. Appl. Physiol. 8 661 (1955/56). 4. Bertalanffy L. v. zit. nach A. Bendmann L. v. Bertalanffys organismische Auffassung des Lebens in ihren philosophischen Konsequenzen. VEB Gustav Fischer Verlag Jena 1967. 5. Brück K. Arch. physik. Therap. 16 7 (1964). 6. Brück K. Nutricia Symposium: The Adaptation of the newborn infant to extra-uterine Life S. 229. H. E. Stenfert Kroese N. V. Leiden. 7. Budd G. M. J. Physiol. 186 201 (1966). 8. Budd G. M. und N. Warhaft J. Physiol. 186 216 (1966). 9. Carlson L. D. Pharmacol. Rev. 18 291 (1966). 10. Davis T. 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