Kreislaufanalytische Untersuchungen über die Wirkung intravenöser Sparteinsulfatinjektionen |
Journal/Book: Z. ges. inn. Med. u. Grenzgeb. 15 (1960) 3 S.114. 1960;
Abstract: Aus der kardiologisch-balneologischen Forschungsstelle (Leiter: OA. Dr. med. H. Jordan) des Staatsbades Bad Elster (Chefarzt: Dr. med. Lachmann) Spartein das Hauptalkaloid des Besenginsters (S a r o t h a m n u s s c o p a r i u s W. s. S p a r t i u m s c o p a r i u m L.) wurde 1851 von J. S t e n h o u s e (29) entdeckt und rein dargestellt. Das l-Spartein (= L u p i n i d i n) kommt auch in der gelben und schwarzen Lupine (L u p i n u s l u t e u s L. L u p i n u s n i g e r L.) und im Schöllkraut (C h e l i d o n i u m m a i u s L.) vor. Es handelt sich um eine ölige stark nach Anilin riechende Base deren Summenformel S t e n h o u s e bereits ermitteln konnte (C15H26N2). Die Strukturaufklärung dagegen bereitete erhebliche Schwierigkeiten und gelang erst durch umfangreiche Abbaureaktionen und Partialsynthesen (33). Der endgültige Konstitutionsbeweiß ist noch nicht erbracht da die Synthese bisher nicht gelungen ist (s. Abb.1). Ohne Abb.1: Strukturformel des Sparteins Therapeutische Anwendung findet das Alkaloid in Form seiner Salze besonders als Sulfat aber auch als Hydrochlorid. Bereits 1885 wurde das Spartein durch G. S é e (25) in die Therapie der Herzkrankheiten eingeführt. Im Ausland (Frankreich USA England Schweiz) wird es seit langem als bewährtes Kardiakum angesehen und findet in ausgedehntem Maße therapeutische Verwendung insbesondere bei Rhythmusstörungen des Herzens. In Frankreich gilt das Spartein als "Grand Mèdicament" (21). Versucht man an Hand des vorliegenden überwiegend ausländischen Schrifttums einen Überblick über die Wirkungsweise des Sparteins zu erhalten so kommt man zu dem Ergebnis daß sich die Wirkungen hauptsächlich an folgenden Organsystemen entfalten: 1. an Herz und Kreislauf 2. an der glatten Muskulatur des Uterus und Darmes wie der Gefäße und 3. an der Niere in Form des Einflusses auf die Diurese. Die letztgenannte Wirkung erscheint allerdings sehr zweifelhaft. Wir werden aber auf diesen Punkt weiter unten noch kurz eingehen da wir dazu einige spezielle Untersuchungen durchgeführt haben. Seinem Wirkungsmechanismus nach scheint das Spartein vorwiegend ein Nervengift zu sein. Es ist in bezug auf die Beeinflussung der Herztätigkeit nicht unmittelbar mit der Digitalis vergleichbar. Dagegen bestehen offenbar weitgehende Analogien zum Chinidin und Chinin weshalb das Spartein in der Herztherapie hauptsächlich bei Störungen der Reizbildung und Reizleitung (Sinus- Vorhof- und Kammerextrasystolie Sinusvorhofblock AV-Block Schenkelblock Flimmerarrhythmien und Vorhofflattern) angewendet wird. Die regularisierende Wirkung auf den Herzrhythmus wird von verschiedenen Autoren als ausgezeichnet angesehen (7 27). Auch eine günstige Beeinflussung der koronaren Durchblutung und die Kreislaufverbesserung werden hervorgehoben (27). Aber nicht nur in der inneren Medizin spielt das Spartein eine Rolle. Wegen seiner Wirkung auf die Wehentätigkeit wird es auch in der Geburtshilfe verwendet. Die glatte Muskulatur des Uterus und des Darmes wird durch Spartein erregt wobei sowohl der Tonus sich erhöht wie auch die rhythmischen Kontraktionen zunehmen (18 20). Allerdings hat es sich auch als Wehenmittel wie als Kardiakum im Gegensatz zu anderen Ländern in Deutschland nicht durchsetzen können obwohl die Kombination Kardiazol-Spartein nach K l e i n e (17) als ideales Wehenmittel anzusehen ist. Nicht unerwähnt bleiben soll daß das Sparteinsulfat auch einen Platz in der Zusammensetzung des Cocktail lytique bei der Hibernation einnimmt. Allerdings ist seine dabei ausgenutzte ganglioplegische Wirksamkeit schwächer als die z. B. der Methoniumgruppe (34). Über die sonstigen pharmakologischen respektive toxischen Eigenschaften von Spartein unterrichtet die ausführliche Zusammenfassung von Z i p f (35). In Deutschland hat in jüngerer Zeit neben anderen (18 23) besonders H. S e e l (26 27) über umfangreiche k l i n i s c h e Erfahrungen mit Spartein berichtet. An insgesamt 800 Fällen von Herzrhythmusstörungen verschiedener Genese konnten sehr befriedigende Behandlungserfolge erzielt werden. Bemerkenswert ist besonders daß bei der angegebenen therapeutischen Dosierung die natürlich individuell gesteuert werden muß keinerlei Nebenwirkungen beobachtet werden konnten. Dennoch muß betont werden daß das Spartein in der deutschen Klinik als Herztherapeutikum nur vereinzelt Verwendung findet. Die Ursachen dafür mögen verschiedener Art sein. Einerseits lag lange Zeit kein standardisiertes Präparat vor wodurch die Dosierung und die Beurteilung der Wirkung sehr erschwert wurden. Andererseits ist Spartein in seiner therapeutischen Wirksamkeit von Pharmakologen und Klinikern teilweise sehr unterschiedlich bewertet worden. So lehnen K e w i t z und R e i n e r t (16) das Spartein vollständig ab; es gibt ihres Erachtens keine Indikation die die Anwendung dieses Alkaloid rechtfertigen könnte. Offensichtlich liegen immer noch viel zu wenig Untersuchungen vor um ein sicheres Urteil bilden zu können was besonders Z i p f (35) betont: "... es wäre wünschenswert daß auch von deutscher klinischer Seite genügend Erfahrungen mit Spartein gesammelt würden so wie dies im Auslande der Fall ist um endlich ein sicheres klinisches Urteil neben die reichhaltigen pharmakologischen Untersuchungen zu stellen". Wir stellten uns daher die Aufgabe die unmittelbaren Wirkungen therapeutischer intravenöser Sparteingaben auf das kardiovaskuläre System einer weiteren Prüfung zu unterziehen. Methodik: Bei 15 kreislaufkompensierten Versuchspersonen wurden unter Ruhe-Nüchtern-Bedingungen nach 1 Stunde Ruhezeit in horizontaler Lage physikalische Kreislaufanalysen nach B r o e m s e r - R a n k e (3) und W e z l e r - B o e g e r (32) vor sowie 5 10 15 20 30 und 60 Min. nach i.v.-Injektion von einer Ampulle Sparteinsulfat1 (100 mg) durchgeführt. Die Kreislaufanalysen wurden mit dem Schwarzer-Direktschreiber unter automatischer Blutdruckregistrierung angefertigt. Zur Untersuchung wurden nur Patienten herangezogen die zur Durchführung einer Trinkkur am Kurort weilten ohne daß vorher irgendwelche Behandlungsmaßnahmen verordnet worden waren. Mehrere Untersucher haben darüber berichtet daß bestimmte Mineralwässer (z. B. auch daß Franzensbader Eisenwasser) verschiedene organische Gifte - u.a. das Spartein - im Organismus zu inaktivieren vermögen und diesen Entgiftungseffekt sogar als Test zur pharmakologischen Beurteilung von Mineralwässern vorgeschlagen (9 10). Obwohl die Unhaltbarkeit dieses "Sparteintestes" eindeutig nachgewiesen worden ist (11 12) haben wir dennoch unseren Vp. vor Durchführung der Untersuchung keine Trinkkur aus unseren eisenhaltigen Mineralquellen verabfolgt. Die Untersuchung erfolgte stets am 7. Kurtag und zur gleichen Tageszeit. Das Kollektiv umfaßt 9 weibliche und 6 männliche Vp. im Alter von 17-54 Jahren bei einem Durchschnittsalter von 36 Jahren. Die Injektionsdauer betrug 2 Min. Bei einigen Patienten kam es während der Injektion zu einem geringfügigen Wärmegefühl. Zwischenfälle oder unerwünschte Nebenwirkungen konnten wir nicht beobachten. Auch bei sehr schneller stoßartiger Injektion im Selbstversuch trat lediglich ein mäßiges Wärmegefühl in Erscheinung jedoch längst nicht in der Stärke wie etwa bei intravenösen Kalzium- oder Magnesiumgaben. Die Ausmessung der kreislaufanalytischen Werte erfolgte in jeweils mindestens 5 verschiedenen Herzperioden wobei der statistischen Auswertung deren Mittelwerte zugrunde gelegt wurden. Da signifikante Änderungen der arteriellen Grundschwingung nach W e z l e r - B o e g e r nicht errechnet werden konnten wurden nun die Analysenergebnisse nach B r o e m s e r - R a n k e statistisch durchgerechnet. Hierzu bedientem wir uns der varianzstatistischen Bearbeitung. Auf Signifikanz der Versuchsstreuung gegen die der Vp. wurde bei einem f-Wert erkannt der maximal 5 % Irrtumswahrscheinlichkeit garantierte (Tabelle nach F i s h e r). Aus der Restvarianz konnte sodann jeweils der Mittelwertvergleich der Kolonnenmittel (= Versuchstermine) mit dem t-Test nach S t u d e n t unter Angabe der signifikanten Differenz (wiederum für p < 0 05) durchgeführt werden. Im Text werden folgende Abkürzungen verwendet: Fr = Herzfrequenz (je Minute) Ps = systolischer Blutdruck (mm Hg) Pd = diastolischer Blutdruck (mm Hg) Ps-Pd = Blutdruckamplitude (mm Hg) Pm = mittlerer Blutdruck (mm Hg) Tfem = Grundschwingung des Femoralispulses (ms) a = Pulswellengeschwindigkeit (m/s) Vs = Schlagvolumen (ml) Vm = Minutenvolumen (l) dyn E' = elastischer Widerstand ( -----) cm5 dyn * s W = peripherer Widerstand (-----) cm5 L = Herzleistung (mkg/s) ASZ = Anspannungszeit (ms) UFZ = Umformungszeit (ms) DAZ = Druckanstiegszeit (ms) ATZ = Austreibungszeit (ms) VZ = Verzögerungszeit (ms) f = Prüfwert der Streuungszerlegung sD = signifikante Differenz x = Mittelwerte der einzelnen Versuchsstationen I-VII = die einzelnen Versuchsstationen (I = vor II-VII = 5' 10' 15' 20' 30' und 60' nach Injektion von l00 mg Sparteinsulfat) E r g e b n i s s e : 1. Veränderungen der Herzleistung (L) f = 5 11; sD = 0 0062 I II III IV V VI VII x/-: 0 0933 0 0975 0 088 0 086 0 087 0 0804 0 0800 Die Herzleistung vermindert sich unter der Wirkung von Sparteinsulfat. 15 Minuten nach der Injektion ist ein signifikanter Abfall erfolgt; nach 30' ist das Minimum erreicht und bleibt bis zum Versuchsende bestehen. Es sei aber nicht übersehen daß bei II ein fast signifikanter Anstieg auftritt. 2. Veränderungen des Schlagvolumens (Vs) f = 3 74; sD = 3 26; I II III IV V VI VII x/-: 59 4 64 0 57 3 56 7 56 3 53 0 54 9 Es erfolgt somit zunächst 5' post injectionem eine signifikante Vergrößerung des Auswurfvolumens die jedoch nach 10' bereits wieder ausgeglichen ist. Nach einer halben Stunde ist eine signifikante Verkleinerung eingetreten; das erreichte Niveau wird nicht mehr verlassen. 3. Veränderungen des Minutenvolumens (Vm) f = 4 26; sD = 0 258; I II III IV V VI VII x/-: 4 26 4 37 3 97 3 92 3 95 3 69 3 73 Die Schwankungen des Minutenvolumens im Versuchsverlauf entsprechen denen des Schlagvolumens. Zwar wird der geringe Anstieg nach 5' nicht signifikant da sich die Pulsfrequenz nicht entsprechend verhält jedoch tritt auch hier nach 10' und 30' eine signifikante Verminderung in Erscheinung. 4. Veränderungen der Herzfrequenz (Fr) f = 6 03; sD =1 20; I II III IV V VI VII x/-: 71 2 68 4 68 9 69 1 70 2 69 3 67 9 Das Verhalten der Pulsfrequenz im Versuchsverlauf ist durch 3 Phasen gekennzeichnet: Nach 5' ist ein signifikanter Abfall eingetreten dem jedoch wieder ein kontinuierlicher Anstieg folgt der nach 20' abermals die Signifikanzgrenze überschritten hat. In der 3. Phase kommt es zu einem erneuten Abfall der nach 1 Stunde noch stärker ist als zu Versuchsbeginn. 5. Veränderungen des systolischen Blutdruckes (Ps) f = 3 61; sD = 2 59; I II III IV V VI VII x/-: 122 5 125 3 122 5 122 3 122 1 119 5 118 2 Die Verlaufskurve des systolischen Blutdrucks zeigt nach 5' einen signifikanten Anstieg nach 10' einen signifikanten Abfall der sich anscheinend kontinuierlich fortsetzt bis nach 30' wieder die Signifikanzgrenze überschritten wird. Bei Versuchsende ist das Minimum erreicht. 6. Veränderungen der Blutdruckamplitude (Ps - Pd) f = 3 62; sD = 2 365; _ I II III IV V VI VII x 45 9 48 2 44 3 44 4 44 6 41 9 42 1 Nach 5' kommt es zu einem Anstieg der sich statistisch nicht ganz sichern läßt. Nach 10' erfolgt ein signifikanter Abfall. Zunächst bleibt der Wert bestehen bis nach 30' ein erneuter signifikanter Abfall eintritt wonach das erreichte Niveau erhalten bleibt. 7. Veränderungen des mittleren Blutdrucks (Pm) f = 2 398; sD =1 82; I II III IV V VI VII x/-: 99 8 101 7 100 2 100 0 100 1 98 8 97 4 Der Mitteldruck verhält sich ähnlich wie systolischer Druck und Blutdruckamplitude. Die Mittelwertdifferenz II/I ist signifikant der Abfall nach 10' läßt sich nicht sichern; der Abfall nach 30' ist signifikant. Der Minimalwert ist nach 1 Stunde erreicht. 8. Veränderungen des elastischen Widerstandes (E') f = 18 4; sD = 31 9; I II III IV V VI VII x/-: 1406 1373 1406 1427 1460 1467 1420 Hier erfolgt also eine signifikante Aufwärtsschwankung mit Wiederausgleich nach 10' post inj. gefolgt von einer permanenten signifikanten Erhöhung bis Versuchsende. 9. Veränderungen des peripheren Widerstandes (W) f = 3 53; sD = 109; I II III IV V VI VII x/-: 1433 1380 1566 1559 1526 1627 1600 Der periphere Widerstand nimmt also unter der Sparteinwirkung eindeutig zu. Der Anstieg ist nach 10' erfolgt und die Erhöhung bleibt - abgesehen von einigen nicht signifikanten Schwankungen - bis zum Versuchsende bestehen. 10. Veränderungen der Anspannungszeit (ASZ) f = 3 91; sD = 3 92; I II III IV V VI VII x/-: 111 117 118 117 123 119 121 Bei dieser Meßgröße läßt sich somit ein signifikanter Anstieg nach 5' sichern. Nach 20' ist es zu einer erneuten abermals signifikanten Erhöhung gekommen der jedoch nach 30' wieder ein Abfall folgt so daß sich die Werte auf das Niveau der ersten Veränderung einstellen. 11. Veränderungen der Druckanstiegszeit (DAZ) f = 7 4; sD = 2 62; I II III IV V VI VII x/-: 59 62 64 64 68 65 66 Da es zu Veränderungen der UFZ nicht kommt muß die DAZ in ihrem Verhalten während des Versuches der ASZ entsprechen. Auch hier ist nach 5' ein signifikanter Anstieg festzustellen dem nach 20' ein zweiter Anstieg folgt und nach 30' ein diesmal gut gesicherter Abfall. 12. Veränderungen der Austreibungszeit (ATZ) f = 3 18; sD = 3 4; I II III IV V VI VII x/-: 275 277 276 272 269 271 271 Erst in der "Spätphase" nach 20' ist ein signifikanter Abfall der ATZ feststellbar. 13. Veränderungen der Verzögerungszeit (VZ) f = 2 65; sD =1 044; I II III IV V VI VII x/-: 31 5 33 2 32 5 32 6 32 5 31 6 32 7 Die VZ verlängert sich signifikant 5' post inj. und sinkt bis zu 30' wieder ab. Ein weiterer Abfall erfolgt bis zu 60' post inj. 14. Für Tfem a Pd und UFZ konnte kein hinreichender f-Wert errechnet werden. Besprechung der Ergebnisse: Ohne Abb. 2. Übersicht über alle signifikant veränderten Kreislaufgrößen. Abkürzungen siehe Text Abb. 2 möge die erzielten Kreislaufänderungen synoptisch in annähernd vergleichsfähigen Maßstäben der Einzelwerte veranschaulichen (signifikante Niveauänderungen sind durch Kreise kenntlich gemacht). Es läßt sich darin ganz deutlich ein Initialeffekt von einem späteren Regulationsvorgang abgrenzen: Eine wellenförmige Bewegung die nach 10-15' wieder abklingt und einer weiteren gleichmäßigen Richtungsänderung Raum gibt. Erstere ist charakterisiert durch einen Zuwachs an Förderleistung des Herzens mit arteriellem Druckanstieg bei bradykarder Tendenz und Verlängerung der Anspannungs- resp. Druckanstiegsphase (die Änderungen der ASZ sind ausschließlich durch solche der DAZ bedingt!). Nach Wiederabklingen dieses Effektes sinken Herzleistung Schlagvolumen und arterieller Druck unter konsekutivem Anstieg von W neben weiterer Verlängerung der Druckanstiegszeit ab. E' verhält sich etwa spiegelbildlich zum Vs-Verlauf und gleichsinnig zum Frequenzgang; im ganzen aber so daß signifikante Änderungen weder an der arteriellen Grundschwingung noch an der Pulswellengeschwindigkeit erfaßbar werden wie man sie theoretisch erwartet. Etwa 5' nach der Injektion kommt also ein Zuwachs an Druck-Volumen-Leistung des Herzens bei negativ chronotroper Beeinflussung der Sinusfrequenz zustande der weitere 5' später wieder ausgeglichen ist. Die hämodynamische Deutung dieser Situation kann nicht ohne Zwang geschehen. Man ist versucht den negativ chronotropen Initialeffekt des Sparteins mit dessen bekannter nikotin- coniin- oder chinidinähnlicher erregungsbildungs- und -leitungshemmender Eigenschaft in Verbindung zu bringen oder an die Fähigkeiten des Sparteins als extrakardiales Synapsengift (7) zu denken. Dies würde mit den meisten bisher bekannten Mitteilungen [Schrifttum bei Z i p f (35) und S e e l (27) ) übereinstimmen. Daß hierfür etwa ein digitalisähnlicher Wirkungsmodus in Frage kommt ist - trotz der Steigerung des Mitteldruckes und der Herzförderleistung die als Ergebnis positiv inotroper Vorgänge leicht deutbar wären - nicht anzunehmen. Einmal ist der "Digitaliseffekt" des Sparteins pharmakologisch nicht zu untermauern worauf schon D i x o n (5) 1924 hingewiesen hat und was auch aus jüngeren experimentellen Publikationen [ausführlich bei Z i p f (35)] klar hervorgeht. M e y e r (22) weist Spartein als "Digitalisersatzmittel" zurück und S o l l m a n (28) sagte: ". . . it weakens the heart and cannot take the place of digitalis." Unsererseits spricht nun auch die Verlängerung der Anspannungszeit (und Druckanstiegszeit) die qualitativ (gemessen z. B. an den Veränderungen des Blutdruckes oder der Herzfrequenz) recht auffällig stark ausgeprägt ist einwandfrei gegen einen positiv inotropen Effekt. Unter ihm müßte es zur Verkürzung dieser Kreislaufgrößen kommen wie aus den Arbeiten B l u m b e r g e r s (2) und seiner Schule hervorgeht. Dieser Befund steht im Einklang mit den Ergebnissen von K e w i t z und R e i n e r t (16) die am Hundeherzen unter Sparteinwirkung eine Verlängerung der Anspannungszeit bis zu 60% konstatieren. Gerade dieses Faktum scheint uns aber der Angelpunkt der Überlegungen zur Deutung unserer Ergebnisse als auch aller Erörterungen der möglichen therapeutischen Konsequenzen in kardiologischer Hinsicht zu sein. Diese Verlängerung der Druckanstiegsphase bedeutet - da eine wesentliche Erhöhung des Systemblutdruckes nicht eintritt - eine Tonusverminderung der vis a tergo und ist damit ein untrügliches Zeichen gerade negativ-inotroper Wandlungen der Herzdynamik. Dieser Effekt des Sparteins ist bekannt. Er konnte schon von D u v i l l i e r C o m b e m a l e und B u l t e a u (8) von C r a w f o r d und H a m i l t o n (4) von v. D o n g e n B o s und T a a l (6) sowie in jüngster Zeit von K e w i t z und R e i n e r t (16) am Meerschweinchenherz nachgewiesen werden. Man hat zur Erklärung dieser "depressorisch-myotropen Wirkung" des Sparteins an die Tatsache gedacht (16) daß Chinin die Polymerisation des fibrillären Actins (des sogenannten F=Actins welches mit Myosin das Aktomyosin des Muskels bildet) aus dem globulären Actin (= sogenanntes G-Actin) hemmt (30). Bei seiner sonstigen Chininähnlichkeit könnte Spartein auf gleichartige Weise den beschriebenen Einfluß auf das Myokard zustande bringen. Unseren Ergebnissen kann man entnehmen daß dieser direkte kardiale Angriff des Sparteins offenbar bis zu 1 Stunde post inj. anhält. Die initiale Steigerung des mittleren und systolischen Druckes des Schlagvolumens und (wenn auch nicht ganz signifikant) der Herzleistung ist demnach nicht als positiv inotrope Folge zu bewerten wenn auch kurzdauernde fördernde Wirkungen des Sparteins auf das Herz beschrieben worden sind (24). Eine kurzdauernde Blutdruckerhöhung ist von Spartein bekannt [Schrifttum bei Z i p f (35)] und wird auf eine Erregung des Vasomotorenzentrums über die Chemorezeptoren des Carotissinus auf eine Lähmung parasympathischer Fasern im Herzen sowie auf eine der Nikotinwirkung ähnliche erhöhte Adrenalinausschüttung bezogen (35). Die gleichzeitige Verlängerung der ASZ resp. DAZ aber läßt andere Zusammenhänge wahrscheinlicher werden die sich aus Beobachtungen nicht nur des arteriellen sondern des venösen Strombahnabschnittes herleiten. Hierzu ist nun jüngst von K r e u z e r und L ü t h ein Anstieg des Venendruckes des Muskel- bzw. Gewebsinnendruckes sowie des Systemblutdruckes (letzterer signifikant um etwa 8 mm Hg bei einer Dosis von 75 mg Sparteinsulfat) nachgewiesen worden (19) der von 1-20' post inj. anhält. Gerade in diesem Zeitraum liegt auch die von uns beobachtete Drucksteigerung. Die spontane nach 30 s eintretende Drucksenkung die K e w i t z und R e i n e r t (16) am intakten Hund mit 5 mg/kg Spartein reflexartig erzielten und die sie auf ein dem B e z o l d - J a r i s c h - Effekt ähnliches Geschehen im Zuge einer Kaliumsensibilisierung [die für Spartein von V a n r e m o r t e e r e G o f f a r t und B a c q (31) nachgewiesen ist] bezogen konnten wir bei unseren Vp. nicht feststellen. Die "Spätphase" der Sparteinwirkung (von 20 bis 60' nach der Injektion) läßt nun eindeutig das Absinken der Herzleistung des Schlagvolumens des Minutenvolumens der Herzfrequenz des Systemdruckes und der Austreibungszeit erkennen. Dabei fällt auch die Verzögerungszeit die im Verein mit dem Zunehmen des elastischen Widerstandes als Ausdruck einer gesteigerten Pulswellengeschwindigkeit angesehen werden kann. Zur Stützung dieser These sei auf grundlegende Bearbeitungen der Zusammenhänge zwischen Verzögerungszeit und Pulswellengeschwindigkeit durch J o r d a n hingewiesen die hier nicht weiter erörtert werden sollen (13 14 15). Allerdings läßt sich sowohl für die Pulswellengeschwindigkeit als auch für Tfem kein signifikanter Anstieg errechnen. Eine Zunahme des elastischen Widerstandes ist nun nur denkbar wenn sich a und Tfem entsprechend ändern. Die verschieden große Streubreite der im Zähler und Nenner der E'-Formel auftretenden Meßgrößen ist es die die Signifikanz verhindert. Diese Zunahme von E' kann nur als Tonussteigerung der Muskularisschicht am Windkessel gedeutet werden; eine Verringerung als Tonusverlust. In unseren Versuchen gibt sich ein wellenförmiger Wechsel dieser Spannungsänderungen zu erkennen. Hämodynamisch gesehen bedeutet ein "Härterwerden" des Windkessels eine ungünstige Situation insofern als damit dem Herzen eine vermehrte Druckarbeit zugemutet wird. Aus diesen Ergebnissen läßt sich wohl folgern daß dem Spartein keine digitalisähnliche Wirkung zuerkannt werden kann. Der negative Inotropismus des Sparteins schließt im Gegenteil seine Verwendung auf dem eigentlichen Indikationsfeld der Herzglykoside völlig aus zumal auch seine frequenzsenkenden Fähigkeiten nicht sehr auffallend sind. Der nur 5-15' etwa anhaltende fördernde Effekt ist wohl peripherer vermutlich venöser Natur und bedeutet eine Füllungs- und (späterhin) auch Druckzunahme infolge Verschlechterung der elastischen Verformbarkeit des Windkessels bei deutlicher Depression des myokardialen Tonus und einer schwachen Minderung der Chronotropie des Herzens. Es ist zu erwarten daß sich diese Effekte bei einer Steigerung der Dosis [das schweizerische Arzneibuch beziffert z. B. die Einzelmaximaldosis mit 200 mg! (35)] verstärken werden. Ob man also die in der gynäkologischen Praxis üblichen (17) Sparteindosen von 200 mg Einzel- bis 600 mg Gesamtdosen als frei von "schädlichen Nebenwirkungen" ansehen kann bleibt vom kardiologischen Standpunkt aus durchaus nicht ganz fraglos. Wir stimmen S e e l bei der beobachtete daß Spartein mit Digitalis zusammen das gewünschte therapeutische Ziel bei Flatter- und Flimmerarrhythmien schneller erreichen läßt und würden einer Kombination gegenüber reinem Spartein in der kardiologischen Praxis den Vorzug geben wie das z. B. im Präparat "Vitacardol"² der Fall ist. Über günstige Erfolge hiermit ist erst jüngst von A c k e r m a n n (1) berichtet worden. ²VEB Chemidropha-Werk Karl-Marx-Stadt. Unberührt hiervon bleibt - das sei ausdrücklich betont - sowohl der rhythmusverbessernde Effekt des Sparteins als auch eine neuerdings glaubhaft gemachte günstige Wirkung beim varikösen Symptomenkomplex (19). Abschließend möchten wir noch erwähnen daß wir kurz die Frage untersucht haben ob Spartein die Nierenfunktion zu beeinflussen vermag. Wie bereits oben erwähnt ist im Schrifttum behauptet worden daß es nach Sparteingaben zu einer Diureseförderung kommt. Theoretisch wäre diese nach dem oben Gesagten unter Umständen denkbar. Eine experimentelle Überprüfung erschien uns notwendig. Wir haben daher in 5 Fällen die renale Clearance des Inulin und PAH und gleichzeitig auch die endogene Clearance der Einzelelektrolyte des Blutplasmas (Natrium Kalium Kalzium Chlor und Phosphat) unter der Sparteinwirkung untersucht indem jeweils 2 Perioden von etwa 20' Dauer vor und nach i.v.-Injektionen von 100 mg Spartein nach der klassischen Dauerinfusionsmethodik durchgeführt wurden. Eine sichere Änderung der Nierendurchblutung der Glomerulusfiltration und der endogenen Elektrolytclearance konnten wir nicht feststellen. Bemerkenswert ist vor allem daß keine eindeutige Änderung der Wasserrückresorption und des Urin-Minutenvolumens zu beobachten war. Die Erklärung dafür daß sich somit Clearanceveränderungen trotz der von uns oben beschriebenen anfänglichen Kreislaufverbesserung (hinsichtlich des zirkulierenden Blutvolumens) nicht nachweisen lassen dürfte wohl darin liegen daß diese Initialphase zu kurz ist. Eine Beeinflussung der Diurese durch therapeutische Sparteindosen kann somit nicht anerkannt werden obwohl die Zahl von 5 Fällen für eine statistische Sicherung naturgemäß nicht ausreichend ist. Wir haben die Versuche als ergebnislos abgebrochen. Z u s a m m e n f a s s u n g. Es werden kreislaufanalytische Untersuchungen an 15 kreislaufgesunden Vp. vor und zu bestimmten Zeiten nach einer I.-v.-Injektion von 100 mg reinem Sparteinsulfat mitgeteilt. Die Beobachtungen zeigen einen zweizeitigen Verlauf der regulativen Kreislaufänderungen mit initialer Steigerung des Mitteldruckes und der Herzleistung vermutlich als Folge einer venösen Mehrauffüllung des Kreislaufs. Die 2. Phase ist durch eine Reduzierung der gesamten Kreislaufleistung charakterisiert. Als wesentliches Kriterium kommt eine konstante signifikante Verlängerung der Anspannungszeit zur Darstellung die im Verein mit den anderen Kreislaufumstellungen das Sparteinsulfat eindeutig aus der Reihe der digitalisähnlich wirkenden Medikamente stellt. Die Ergebnisse sind statistisch gesichert und lassen sich mit denen aus dem bisher bekannten Schrifttum gut zur Deckung bringen. Schrifttum 1. Ackermann J. Therap. Gegenw. 96 4 (1957). 2. Blumberger K. J. Erg. Inn. Med. 62 424 (1942). 3. Broemser Ph. u. O. F. Ranke Zschr. Biol. 90 467 (1930). 4. Crawford J. u. I. Hamilton J. Pharmacol. Exper. Therap. 26 171 (1925). 5. Dixon E. W. Hdb. exp. Pharmakol. Berlin II/2 724 (1924). 6. 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Für die Überlassung der Versuchsmengen und von Sparteinsulfat DAB6 in Reinsubstanz sei der Firma sowie dem VEB Chemidropha Karl-Marx-Stadt auch an dieser Stelle herzlich gedankt.
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