Umweltschutz in Heilbädern und Kurorten

Journal/Book: Heilbad & Kurort 47 (1995) 5 S.102-104. 1995;

Abstract: Dipl.-Volkswirt Burkhard Stoyke Bonn Unsere Heilbäder und Kurorte sind entstanden aus der jahrtausendealten Kenntnis und therapeutischen Nutzung heilsamer Schätze aus der Natur. Ob die heilenden warmen Quellen der Germanen Griechen und Römer oder in späteren Jahrhunderten die mineralhaltigen "Gesundbrunnen"; ob beim Aufenthalt am Meer oder in der "Sommer-" bzw. "Winterfrische" in den Mittelgebirgen und den Alpen unsere Vorfahren nutzten - wie im übrigen alle Kulturvölker unserer Erde- die ihnen von der Natur geschenkten Heilmittel des Bodens des Meeres und der klimatisch hervorstechenden Eigenschaften auserwählter Orte und Landschaften in höheren Lagen als Medizin. Wie zu keiner Zeit in der Menschheitsgeschichte zuvor sind diese natürlichen Heilschätze heute in ihrem Fortbestand bedroht. Sowohl die globale Industrialisierung aller Produktionsbereiche als auch die Folgen der sich rapide verändernden Lebensumstände und -gewohnheiten in den industrialisierten und sich wirtschaftlich entwickelnden Ländern drohen die Kreisläufe in der Natur zu stören und damit Systeme zu zerstören die wesentliche Grundlagen für die natürliche Medizin der Heilbäder und Kurorte bilden. Kurortmedizin ist mehr als physikalische Therapie Die Mittel der Kurortmedizin zu reduzieren auf die ortsspezifischen Kurmittel aus der Natur der Hydrotherapie und dem Katalog der Physikalischen Medizin hieße indes die Komplexität des kurörtlichen therapeutischen Ansatzes unzulässig zu reduzieren. Bereits mit dem ausgehenden 19. Jahrhundert wuchs die Erkenntnis daß nicht die (chemo-)physikalische Therapie allein sondern erst die Umstellung der ganzen Lebensweise auf einen Gleichklang mit der eigenen und der umgebenden Natur über den unmittelbaren Kurerfolg hinaus zu einem Leben in Gesundheit führen kann. Im Sprachgebrauch hat sich dieses Wissen um die unentrinnbare ökologisch-biologische Einbindung des Menschen in die natürlichen Abläufe des Kosmos seit jeher widergespiegelt wenn wir von "gesunder Luft" gesunder Nahrung gesunder Bewegung sprechen. Im Alltag der "Zivilisation" haben wir uns von diesem Wissen intellektuell und emotional scheinbar immer mehr und immer rascher entfremdet. Die kontinuierliche Zunahme an "Zivilisationskrankheiten" beweist hingegen daß der Mensch in seiner Ganzheit nicht auf Dauer gegen die natürlichen Gesetzmäßigkeiten leben kann ohne Schaden zu nehmen. Hier liegen deshalb heute die vorrangigen Aufgaben der Heilbäder und Kurorte für unser Gesundheitssystem und für unsere Gesellschaft insgesamt. Mit dem ökologischen Gesundheitsverständnis sind sie mit ihrer funktions- und regulationstrainierenden Adaptationstherapie in der Symbiose mit dem Kurortmilieu einer ökologisch verpflichteten kurörtlichen Infrastruktur sowie einer nachhaltig umweltverträglichen Einbindung in Natur Landschaft und Kultur gleichermaßen geographische wie emotionale temporäre Nischen in den Lebensbedingungen des Alltags ihrer Patienten und Gäste. Wenn von "Umweltschutz in Heilbädern und Kurorten" gesprochen wird stehen für weite Kreise diese gesundheitspolitischen und gesellschaftlichen Implikationen bestenfalls in einem nebulösen Hintergrund. An der "Front" in Stadt und Kreis geht es vielmehr häufig um sehr pragmatische Fragen die allerdings wegen ihrer kommunal- und individualökonomischen Dimensionen in kontroversen emotional und ideologisch befrachteten Diskussionen ausgetragen werden anstatt einzusehen daß es für unsere Kurorte nur noch den ökologischen Weg geben kann- oder sie werden keine Kurorte bleiben. . . .

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