Familienanamnese - der vergessene Risikofaktor

Journal/Book: Münch.med.Wschr. 137 (1995) 16 S.251/29-36/256. 1995;

Abstract: Fettstoffwechselstörungen als Beispiel Franz-Volhard-Klinik Berlin Zusammenfassung Ausgangssituation: Die koronare Herzkrankheit ist die klinisch bedeutsamste Komplikation der Atherosklerose und die häufigste Krankheits- und Todesursache in der westlichen Bevölkerung. Bei einem Drittel der Patienten mit Herzinfarkt vor dem 60. Lebensjahr sind erhöhte Lipidwerte der Hauptrisikofaktor. In der Hälfte der Fälle handelt es sich dabei um genetische Störungen die jeweils nur durch ein Gen verursacht sind und nach den Mendelschen Gesetzen vererbt werden. In diesen Fällen sind durchschnittlich 50 Prozent der Angehörigen ersten Grades betroffen. Familienuntersuchungen sind geeignet die familiären Formen der Hyperlipidämie - wie familiäre Hypercholesterinämie gemischte familiäre Hyperlipidämie und familiäre Hypertriglyzeridämie - differentialdiagnostisch von sekundären polygenen und ernährungsbedingten Formen abzugrenzen. Klinische Konsequenzen: Eine positive Familienanamnese vorzeitiger Atherosklerose bei Angehörigen sichert die Indikation für eine präventive medikamentöse Behandlung; andererseits kann in vielen Fällen in denen die Familienanamnese unauffällig ist auf eine medikamentöse Therapie verzichtet werden. Die genetische Diagnose ist von differentialtherapeutischer Bedeutung weil Lipidsenker unterschiedliche Wirkmechanismen aufweisen. Die Darstellung intrafamiliärer Risikokonstellationen anhand der Familienanamnese wirkt sich darüber hinaus positiv auf die Compliance der Patienten aus. Vorzeitige Herzinfarkte bei Angehörigen werden nicht länger schicksalhaft akzeptiert sondern als Folge therapierbarer Risikofaktoren angesehen. Aufgrund der familiären Häufung sind Familienuntersuchungen im Vergleich zu Screening-Untersuchungen in der Bevölkerung besonders effektiv und damit kostengünstig. Die Erhebung der Familienanamnese in Form eines Stammbaums ist zugleich Dokumentation und Beitrag zur Qualitätssicherung.

Keyword(s): Familienanamnese familiäre Hyperlipidämie KHK-Risikofaktor

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