Die Lage der Juden in Preußen im 19. Jahrhundert und die Berliner Medizinische Fakultät

Journal/Book: Z. ärztl. Fortbild. 88(1) (1994) 65-68. 1994;

Abstract: Prof. Dr. Dr. Peter Schneck Institut für Geschichte der Medizin Medizinische Fakultät (Charite) der Humboldt-Universität zu Berlin Angesichts der problemgeladenen jüngeren Geschichte der Deutschen ihres Umgangs mit ihren jüdischen Mitbürgern und der außerordentlich verlustreichen Versuche ein "Deutschland ohne Juden" zu schaffen wird bald die Brisanz klar die ein solches Thema nach wie vor in sich birgt. Auch heute noch - oder besser gerade heute - ist ein unbefangener Blick auch nur auf einen Ausschnitt deutsch-jüdischer Geschichte der von dem Völkermord an der deutschen und europäischen Judenheit in der Zeit zwischen 1933 und 1945 absieht schlechterdings nicht möglich. Denn die Wurzeln dieser Verbrechen stecken in der gesamten Geschichte. Dennoch gerade der Respekt vor der gemeinsamen Vergangenheit von Juden und Nichtjuden gebietet es daß wir uns vor allem den Verdiensten und den Leistungen jüdischer Menschen und ihrer Kultur positiv zuwenden und diese Geschichte nicht einseitig oder gar ausschließlich als eine Kette von Haß und Gewalt sehen. Das 19. Jahrhundert ist was die Situation der Juden in Preußen anlangt durch einen langwierigen Prozeß ihrer Emanzipation den Kampf um ihre soziale kulturelle und staatsbürgerliche Gleichstellung durch das Streben nach Überwindung jahrhundertelanger offener oder versteckter Diskriminierung und Verfolgung gekennzeichnet. Betrachtet man das Zeitalter dieser jüdischen Emanzipation das sich über nahezu ein Jahrhundert etwa von 1780 bis 1870 erstreckte als ein europäisches Phänomen so ist die Entwicklung in Deutschland wie auch in seinem preußischen Teilstaat durchaus als ein Sonderfall anzusehen. Weder in England noch in Frankreich oder in den Niederlanden vollzog sich die Befreiung der Juden aus den Fesseln der feudalabsolutistischen Ständeordnung so mühsam und quälend langsam und war von so vielen Rückschlägen begleitet wie eben in Deutschland. Die Ursachen dafür muß man wohl darin sehen daß sich das Bürgertum in Deutschland wie auch in Österreich im Gegensatz zu anderen westlichen Ländern Europas nicht selbst aus den Zwängen der feudalen Privilegienordnung zu befreien vermochte. Dies führte zu einer nur halbherzigen aus taktischen Erwägungen der Staatsräson verordneten Judenemanzipation die zwar der traditionellen Paria-Existenz der Juden ein Ende setzte aber dennoch ihre soziale Eingliederung von neuem belastete. Während in den Niederlanden als erstem Land das eine siegreiche bürgerliche Revolution erlebte bald nach ihrer... Stö_

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