Psychische und soziale Anteile des Krankseins

Journal/Book: Heilbad & Kurort 43 (1991) 6 S.108-111. 1991;

Abstract: Professor Dr. Eberhard Volger Chefarzt der Herz-Kreislauf-Klinik der Landesversicherungsanstalt Schwaben Bad Wörishofen Im Wartezimmer einer durchschnittlichen Allgemeinpraxis finden wir bei mindestens jedem 2. Patienten überwiegend seelische Ursachen für sein Leiden. Im Krankenhaus sind dies immerhin noch 15 - 30 % aller Patienten. Aufgrund des überraschend hohen Anteils an primär psychisch bedingten Ursachen des Krankseins stellt sich nun schon die Frage ob es mit den spezifischen Gegebenheiten des modernen Lebens zusammenhängt oder ob es sich um ein kulturhistorisch eher unabhängiges Phänomen handelt es also schon immer so war. Erstaunlicherweise gibt es hierüber wenig beweisfähiges Untersuchungsmaterial. Die Krankheitsstatistiken der letzten 100 Jahre ergeben jedoch eindeutige Hinweise auf einen ausgeprägten Wandel in den die Volksgesundheit betreffenden Erkrankungen. So war das Leben bis zu Mitte dieses Jahrhunderts in erster Linie durch akute und chronische Infektionskrankheiten bedroht die die Hauptursache für die geringe Lebenserwartung der Menschen waren. Nach dem Zweiten Weltkrieg rückten in der Todesursachen-Statistik immer mehr die chronischen Zivilisationskrankheiten allen voran die Herz- und Gefäßerkrankungen und an zweiter Stelle der Krebs in den Vordergrund. Dies geschah allerdings parallel zu einer immer noch zu beobachtenden steigenden Lebenserwartung. Gerade für diese chronischen Erkrankungen wird aber postuliert daß sie durch psychische und soziale Faktoren mit verursacht würden. Zwar gehen die Erfolge der Medizin einher mit den Segnungen der naturwissenschaftlich begründeten zivilisatorischen Errungenschaften auf der anderen Seite wird aber vermutet daß gerade diese raschen sozialen Umschichtungen im Gefolge der Industrialisierung pathogenetische Bedeutung haben könnten. Wenngleich also fundierte Untersuchungen dafür fehlen kann man doch davon ausgehen daß die Häufigkeit von primär seelisch verursachten Leiden in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen hat und die Frage aufdrängt was die Ursachen für diesen Gestaltwandel der Krankheiten sind. . . .

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