Die Diät in der Übungsbehandlung der Kur *)

Journal/Book: H u K 34 10/82 S. 340-347. 1982;

Abstract: Dr. med. Christoph Kirschner Kurklinik Hochstaden Bad Neuenahr *) Vortrag gehalten auf der "Jahrestagung der Gütegemeinschaft Diätverpflegung e. V." am 15. April 1982 in Bad Kissingen. Zusammenfassend ist zu sagen: 1. Diät und gesunde Ernährung sind eine unentbehrliche naturgemäße Heilmethode in der Kur. 2. Diät entspricht einer unspezifischen Therapie. Sie ist kein Heilmittel im engeren spezifischen Sinne sondern eine therapeutisch stilisierte Lebenspraxis mit Heilkraft. 3. Sie greift am gesunden Teil des Organismus an indem sie vorgegebene Regelsysteme durch Schonung oder durch Belastung in ein verbessertes Gleichgewicht bringt einen Zustand der Dekompensation in den der Kompensation zurückschwingen läßt. 4. In der Kur als Übungsbehandlung gehört der Therapiefaktor Belastung neben dem der Schonung auch in die Diätetik. Schonungs- Belastungs- bzw. Trainingseffekte werden erreicht durch die gedrosselte oder erweiterte Nahrungsmenge andererseits durch Änderung der Zusammensetzung der Speisen zum Beispiel als eiweißarme kohlehydratarme oder fettarme Diät und weiter durch Änderung der Verteilung der Nahrungsmenge auf einzelne Mahlzeiten und Tageszeiten. (Was in der Diät die Schonung bedeutet für die Bewegungstherapie die Entspannung.) 5. Die Verwertung von Nahrung und die Wirkung von Nahrung ist im Stoffwechsel in biologische Zeitstrukturen des Tagesrhythmus eingefügt. Die Ordnung des Tagesrhythmus und der Essenszeiten ist ein diätetisches Prinzip in der Chronotherapie. 6. Ernährung als verhaltensabhängige Interaktionsform benötigt für die Wirksamkeit der Diät auf die Dauer Gesundheitsbildung und Training und eine Modifikation kulturell geformter Vorstellungen und Erwartungen an die Ernährung. 7. Essen ist für viele Menschen die wichtigste Befriedigungsform ihrer Bedürfnisse und bedeutet auch seelische Entspannung. Langzeiterfolge in der Diätetik können nur erreicht werden wenn Diät auf Dauer nicht eine anhaltende Störung der Lustbilanz des Lebens bewirkt. Verzichte werden auf Dauer nur toleriert wenn andere Befriedigungsmuster eingeübt werden können. 8. Bei Diätverordnungen ist zu beachten daß geänderte Ernährungsgewohnheiten auch geänderten Kommunikationsformen entsprechen können. 9. Lebensordnung im Bereich der Ernährung ist abhängig von der Sinngestalt des Lebens die der einzelne auch jenseits medizinischer Erfordernisse seinem Leben in der polaren Spannung zwischen Genießen und Verzicht zu geben vermag. Es kam mir darauf an in diesem Vortrag zu zeigen daß Diät als Übungsbehandlung in der Kur nicht nur nach den Erkenntnissen der Stoffwechselphysiologie und der Ernährungslehre praktiziert werden kann sondern daß der Begriff der Übung stets auch an ein bestimmtes Verhalten der Menschen gebunden ist und diese Verhaltensdimension der richtigen Ernährung nur mit Korrektur der Einstellungen im kulturellen und anthropologischen Kontex der Gesellschaft verwirklicht werden kann. Diätratschläge müssen um wirksam zu sein auch in einer pluralistischen Gesellschaft in Lebensmodelle eingefügt werden können. Sie können mit der Gesundheitsmedizin am Kurort in der Kur eingeübt werden. ___MH

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